Meine Präsentation zur heutigen Keynote auf der Swiss eLearning Conference (SeLC) ist nun online verfügbar. Ich möchte dabei die Stellung der Mobiltelefone in der heutigen Gesellschaft zum Ausdruck bringen und zeige auch die Möglichkeiten auf, die wir zukünftig erwarten können:
Mobile Learning – Lernen wir unterwegs?
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Ich habe ein paar Anmerkungen zu verschiedenen Folien. Zunächst die Folien 23 und 26: Auf Folie 23 lautet die Frage „Ich könnte mir vorstellen, das Mobiltelefon im Unterricht für Lehr- und Lernzwecke einzusetzen“, mit den entsprechenden Antwortoptionen. Auf Folie 26 wird auf Basis der erhaltenen Antworten für SchülerInnen formuliert: „81% der SchülerInnen würden ihr Telefon gern für Lehr- und Lernzwecke verwenden“. Bei Lehrern heißt es „nur 25% können sich vorstellen das Mobiltelefon im Unterricht einzusetzen“.
Ich finde nicht gut, wie hier durch Sprache manipuliert wird. Auf Basis der Frage, die auf Folie 23 gestellt wurde, lässt sich überhaupt nicht sagen, ob die SchülerInnen das Telefon „gern“ einsetzen würden, denn es wurde lediglich danach gefragt, ob sie es sich vorstellen können. Etwas gern tun und es sich vorstellen können ist aber nicht dasselbe, sondern ein qualitativer Unterschied.
Bei den Lehrern hingegen wird das „sich vorstellen können “ beibehalten, die 25% aber durch ein „nur“ qualifiziert. Hier stellt sich mir die Frage: „nur“ im Verhältnis zu was? Im Verhältnis zu den SchülerInnen erscheint das wenig, im Verhältnis zu LehrerInnen an anderen Schulen kann es aber sehr viel sein. Und hier wurden ja gerade einmal 20 LehrerInnen befragt. Selbst wenn man akzeptiert, dass die Antworten der SchülerInnen und der LehrerInnen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden – was sagt das denn aus? Hier müsste ja mindestens eine weitere Frage hin, die danach fragt, wie das Telefon denn eingesetzt werden könnte. Oder die nach dem Grund fragt, warum man sich denn den Einsatz nicht vorstellen kann. Ein/e LehrerIn hat doch eine ganz andere Perspektive auf Unterricht und seine Gestaltung als ein/e SchülerIn, zumal solche im Alter von 10 Jahren. Das kann man ohne entsprechende Qualifizierung nicht einfach im Vergleich nebeneinanderstellen.
Für mich sind solche Befragungen einigermaßen sinnlos, da sie zu viel im Unklaren lassen. Was mich dann aber wirklich ärgert ist, wie die Ergebnisse solcher unvollständigen Befragungen durch sprachliche Manipulationen verzerrt werden. Dabei hätte man die Zahlen ja auch neutraler auflisten können.
Dann Folie 29: „Das Handy erobert den Alltag: … Beerdigungen.“ Abgesehen von Pastoren, Messdienern, Bestattern und älteren Damen mit dem Hobby Leichenkaffee gehören Beerdigungen wohl für kaum jemanden zum „Alltag“. Dieser Vorspann/lead aus der Computerwoche ist also sprachlich schief. Denn eigentlich will der Artikel ja darauf hinaus, dass die Menschen beim Gebrauch ihres Handys sie Schicklichkeits- oder Pietätsgrenzen nicht mehr einhalten. Das heißt aber dann nicht, dass das Handy den Alltag erobert, sondern auch nicht-alltägliche Situationen, die eigentlich ein vom Alltag abweichendes Verhalten erfordern, zum Alltag degradiert werden.
Schließlich die Folie 72: Man hat das Faktenwissen immer nur potentiell in der Hosentasche. Denn nur weil das Internet alle Fakten bereithält (oder einmal bereithalten wird), ist damit noch nicht die Frage geklärt, woher ich weiß, welches Faktenwissen denn auf den Kontext anzuwenden ist, in dem ich mich gerade befinde.
Schließlich fehlt mir auch bei einer Aussage wie „ständiger Zugriff auf die individuelle Arbeits- und Lernumgebung“ die Problematisierung. Das klingt, so wie es auf der Folie präsentiert wird, alles nach cooler, rosaroter neuer HiTech-Welt, einem Paradies der Möglichkeiten. Wie so oft wird aber hier gar nicht thematisiert, was das denn für unsere Kultur bedeutet und ob der zu erwartende Wandel denn uneingeschränkt positiv zu sehen ist, insbesondere für heute schon festzustellende Probleme der Arbeitswelt, etwa dass Menschen nicht mehr zwischen Arbeit und Freizeit/Erholungszeit differenzieren können und dadurch krank werden.
Gerade solche Grenzaufhebungen und ihre Folgen wären also eine Betrachtung wert anstatt – neben manch anderem Inhalt natürlich – Zahlenkolonnen zu präsentieren, wie viele Trilliarden Menschen morgen alle mobil unterwegs sind.
Vielleicht wäre meine Anmerkungen auch hinfällig im gesprochenen Kontext des Vortrags, der hier Unklarheiten beseitigen könnte. Den habe ich aber nicht, vielmehr muss ich mein Urteil in diesem Fall auf Basis der anzuschauenden Folien fällen.
Danke für die Rückmeldung – und ich gebe Ihnen eigentlich recht bzw. hoff ich dass ich durchaus im Livereferat diese Problematiken zur Sprache gebracht habe.
Darüberhinaus scheint es gelungen zu sein Gedanken anzustoßen und zum Nachdenken angeregt zu haben.
Sollte der Vortrag online zur Verfügung stehen, werde ich es ebenfalls gerne veröffentlichen.